Nicht jeder Konflikt ist automatisch ein Drama

Das Drama-Dreieck und der aktuelle Covid-Konflikt

Aktueller BLOG Beitrag zum Thema "Drama-Dreieck und der aktuelle Covid-Konflikt" von Fritz Zehetner, Dezember 2021

Das Drama-Dreieck beschreibt ein Beziehungsmuster zwischen mindestens zwei Personen, die darin die drei Rollen einnehmen:

  • Retter
  • Verfolger
  • Opfer

Diese drei Rollen sind häufige Begleiter bei Konflikten. Stephan Karpman hat sie in seinem Modell des Drama-Dreiecks aufgezeigt:

Verfolger Rolle (+/-)
Selbstgerecht oder rechthaberisch setzt diese Person Wert und Würde eines anderen herab, indem sie z.B. zurechtweist, Vorwürfe macht, kritisiert, anklagt, droht, beschuldigt, demütigt oder einschüchtert. Sie betrachtet andere als weniger o.k. als sich selbst. Läuft etwas nicht so wie sie sich das vorstellt, wird diese Person schnell wütend oder sogar aggressiv.

Retter Rolle (+/-)
Diese Person bietet, aus einer überlegenen Position heraus, Hilfe an, ohne darum gebeten worden zu sein. Sie betrachtet sich selbst als mehr o.k. als andere und setzt gleichzeitig die Fähigkeit der anderen herab, selbst denken und sich selbst helfen zu können. 

Opfer Rolle (-/+) 
Eine Person fühlt sich als weniger o.k. als andere, als unterlegen und setzt sich selbst mit seinen Fähigkeiten herab. Sie zeigt sich unterwürfig, kindlich, hilflos, schüchtern, unwissend, usw. Oft sucht eine Person in der Opferrolle einen Verfolger, der ihr zusetzt oder ist auf der Suche nach einem Retter, der Hilfe anbietet und damit die eigenen Grundüberzeugung bestätigt: „Alleine schaffe ich es nicht.“ 

Nicht jeder Konflikt ist automatisch ein Drama 

Ein Drama entsteht erst dann, wenn die Beteiligten ihre Positionen als Verfolger, Retter oder Opfer einnehmen, und so in Interaktion treten. Gerade in der aktuell vielfach verhärteten Covid-Impfdiskussion zwischen Impfbefürwortern und Impfgegnern, ist das leider oft zu beobachten. Diese Konflikte haben das Potenzial zu eskalieren und in einer Sackgasse zu landen. Im Extremfall können sie sogar auf ein dramatisches Ende zulaufen. Zur Lösung tragen sie allerdings leider nicht bei. 

Stellt sich die Frage: Warum nehmen dann Menschen solche Rollen ein?

RETTER ROLLE
Aus der Retter-Rolle genießen Personen soziale Anerkennung ohne jedoch echt partnerschaftliche Nähe riskieren zu müssen. Dadurch, dass Personen aus der Retter-Rolle in einer Beziehung Abhängigkeiten erzeugen, besitzen sie ein hohes Maß an sozialer Kontrolle. Und, solange es noch Menschen gibt, die es zu retten gilt, brauchen sie sich nicht mit ihren eigenen Problemen beschäftigen. Ihre Selbstlosigkeit führt allerdings dazu, dass sie schließlich tatsächlich selbst los sind. Sie gehen davon aus, sich erst dann gute Gefühle gestatten zu dürfen, wenn sie es geschafft haben, dass es allen anderen gut geht – was in Summe ein unrealistischer Anspruch ist.  Wenn sie meinen, das erreicht zu haben, geht es ihnen meist wieder schlecht, weil sie keine innere Erlaubnis haben, an sich selbst zu denken. Darin besteht das eigentliche Drama von Rettern. Oft sind sie erst dann in der Lage Zuwendung anzunehmen, wenn sie sehr viele Vorleistungen durch Retten erbracht haben, leider oftmals erst nach einem psychischen und physischen Zusammenbruch.

OPFER-ROLLE
Menschen in einer Opferrolle bekommen ohne große Anstrengung sehr viel positive und negative Zuwendung und Beachtung: einerseits Hilfe und Zuspruch durch Personen in der Retter-Rolle und andererseits Tritte und Demütigungen von Personen aus der Verfolger-Rolle. Dafür wenden sie selbst nur ein Minimum an eigener Aktivität auf. In der Opfer-Rolle brauchen sie keinerlei Verantwortung übernehmen und können unbewusst der Devise folgen: „Ich muss mich nur recht klein machen und mich als Opfer eines übermächtigen Geschehens darstellen, dann werden mir die anderen geben, was ich zum Leben brauche“.

VERFOLGER-ROLLE
Aus der Verfolger-Rolle streben Menschen vor allem nach Kontrolle über andere und können auf diese Weise Prozesse beeinflussen bzw. dominieren. Tief in ihrem Inneren schlummert meist die Überzeugung, dass andere sie um ihrer selbst willen nicht lieben. Sie meinen andere Menschen nur dann halten zu können, wenn sie diese kontrollieren und in Abhängigkeit halten. 

Quellen:

  • Berne, Eric: Spiele der Erwachsenen. Psychologie der menschlichen Beziehungen (Hamburg 1970).
  • Berne, Eric: Was sagen Sie, nachdem Sie ‚Guten Tag’ gesagt haben? Psychologie des menschlichen Verhaltens (Frankfurt am Main 202007; engl. Original: What Do You Say After You Say Hello?“ 1972).
  • Gührs, Manfred; Nowak Claus, Das konstruktive Gespräch; Leitfaden für Beratung, Unterricht und Mitarbeiterführung mit Konzepten der Transaktionsanalyse; Limmer Verlag 1991; Kiel.
  • Karpman, Stephen: Fairy Tailes and Script Drama Analysis, in: Transactional Analysis Bulletin 7 (1968).
  • Fritz Zehetner; SIZE PROZESS® Human Performance Guide® Potenziale und Ressourcen ausschöpfen – Krisen und Stress erfolgreich bewältigen; Top im Job®; 2017 Marchtrenk.